Fokus

Sommerliches Flanieren im Quartier

Wie wird wohl dieser Sommer sein? Alles ist möglich und im Herbst wissen wir es. Aber wie es sein könnte, wenn Sie oder ich als Flaneur in unseren sommerlich gestimmten Quartieren unterwegs sind, das können wir uns in der Vorfreude schwelgend ausmalen.

Der 3er rollt von der Stadt her in die Zürcherstrasse, hält bei der Breitematte an. Leute warten, wie jeden Morgen um 9 Uhr. Es sind weniger die Pendler, aber solche, die in die Stadt wollen, andere tragen einen Rucksack für eine kleine Exkursion in einen kühleren Winkel in der Region. Vielleicht ins idyllische Kaltbrunnental? Verschüchtert der Blick eines Knaben, der leise quängelt, die eine Hand an die linke Backe drückt und mit der Rechten, die seine Mutter hält, zerrt. «Zahnarzt, wenn wir nur endlich beim Zahnarzt sind», seufzt sie. Ihr Sohn verzieht sein Gesicht und jammert jetzt erst recht. Die Tramtüre schliesst, das Tram fährt weiter. Die Haltestelle ist leer. Niemand steht mehr da, wie von Geisterhand entführt.

Ungeliebter Zahnarztbesuch

Die Sonne brennt bereits kräftig auf die Strasse, doch noch hält sich die morgendliche Frische wohltuend für den Flaneur. «Ja der Zahnarzt an einem solchen wunderbaren Sommermorgen, das braucht der Kleine sicher nicht. Anderes wäre wichtiger, gerade jetzt in den Sommerferien. Die Kollegen treffen, spielen und ein bisschen durch das Quartier streifen.» Erinnerungen tauchen auf an den letzten Schultag vor den Sommerferien und dem frisch eingegipsten Arm. Na ja, es gibt Schlimmeres…»

Der richtige Moment für einen kräftigen Espresso. Vielleicht in der Migros Breite oder dem Treffpunkt Breite oder… Schön, wenn man sich Zeit lassen kann, mit gemütlichem Schritt unterwegs ist und dem Vertreter einer Firma zuschaut, wie er geschäftig seinen Rollkoffer aus dem Auto holt, um bei einem Kunden vorzusprechen. Oder dort der junge Mann, der mit einem verwegenen Sprint doch noch das Tram erwischt. Klackend schliesst die Türe satt hinter ihm.

Auf der Breitematte herrscht reger Betrieb. Noch ist es hier nicht zu heiss, um dem Fussball hinterher zu spurten, Federball zu spielen. Dennoch ist es angenehm warm, um sich auf seinem mitgebrachten Tuch liegend in der Sonne zu räkeln. Kinder turnen an den Spielgeräten, manchmal gehorchen sie den mahnenden Worten ihrer Mütter, aber eben nur manchmal. Da fällt eines hin, verzieht vor Schmerz das Gesicht, die Farbe wechselt vom schmucken sonnengebräunten Braun in kräftiges Rot…

Jetzt ist die Mutter gefragt, die hilft und das schreiende Kind beruhigt. Ein verschmitztes Lächeln kann sie sich nicht verkneifen. Dann singt sie leise beruhigend die altbewährte Weise: «Heile, heile Säge, siebe Tag Räge, siebe Tag Schnee, s tuet nümme weh, s tuet nümme weh!» Nach derart viel Aufregung ist etwas Ruhe angesagt, zumal auf der Zürcherstrasse erstaunlich viele Autos unterwegs sind, trotz der Ferienzeit. Es stimmt eben doch, dass nicht alle in den Ferien sind. Basel lebt, auch in den Quartieren.

Wer fällt in den Dalbedych?

Im Schatten entlang des Dalbedych ist es angenehm kühl. Vier Burschen necken sich, versuchen sich gegenseitig ins träge fliessende Wasser zu schubsen. Beinahe hätte es einen erwischt. Der munteren Gruppe kommt ein älteres Paar entgegen. Zuerst verdutzt und leicht erschrocken über das Gedränge und Geschubse beobachten sie skeptisch die Burschen. Wie sie erkennen, dass da keine Rauferei im Gange ist, bleiben sie stehen und geniessen schmunzelnd das Schauspiel, bis, ja bis die Vier das sie beobachtende Paar entdecken. Sofort hören sie auf, richten ihre Kleider und gehen neben dem Paar vorbei. Einer murmelt so etwas wie «Entschuldigung, s isch nit so gmeint gsi.» Und weg sind sie. Die beiden unfreiwilligen Zaungäste hatten nicht einmal die Zeit, um sich für die Gratisvorstellung gebührend zu bedanken. Dafür lachen sie jetzt umso herzlicher. Vergnügt gehen sie weiter, bleiben wieder stehen, blicken zum Wasser.

«S isch wie friehner», meint der Mann. Ja, dort hast Du den Fisch gesehen, ein Schatten war es, aber immerhin, es gibt immer noch Leben im Dalbedych. Das Wasser ist wieder sauber, wie damals, als wir so jung waren, wie die «Zigglibuebe». Genau, und heiss war es an jenen Sommertag, siedend heiss. Da habe ich mich beklagt, weil die Hitze schon lästig war, und was machst du, mein feiner Freund und Begleiter? «Du versuechsch mi in Dalbdych z schubse, wie die Bursche vorig!» Er kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Er erinnert ebenso gut wie seine Partnerin an diese Szene.

«Du hesch di guet ghalte. I has eifach nit gschafft di mit dym schöne wysse Chleid ins Wasser z gheie.» Sie lacht, noch immer stolz auf den damals hart errungenen Sieg. «Heiss hämmer gha und was machsch Du?» fragt sie ihn mit einem vorwurfsvollen Blick? Er grinst: «Das hättsch jo au chönne ha, i ha dr jo no welle hälfe…» Aber im Wasser sei es wirklich schön gewesen, so mitten drin in der Stadt und unter den Bäumen. Traumhaft! Das Paar geht munter plaudernd weiter, schubsen sich sachte beim Gehen, kichern wie frisch verliebt. Ihre Stimmen werden leiser und verebben.

Heisse Diskussion unter kühlem Blätterdach

Beim St. Alban Rheinweg, in der Nähe der Stadtmauer, wo sich neben der Strasse und unter dem dichten Baumdach ein Platz befindet, steht eine Gruppe Leute. Pläne halten sie in der Hand, Notizblöcke. Eine Frau macht mit ihrem Handy Fotos. Entfernt sich wenige Schritte von der Gruppe, lauscht und kehrt aufgeregt zurück. «Do e Buvette! Nie!» «Do bin i anderer Meinig», konterte eine andere Frau. Jetzt melden sich auch die Männer in der Gruppe wieder zu Wort. Einer zeigt auf einen Plan, ein anderer notiert etwas und ruft dazwischen: «Wenn nit do, denn wo? Bitteschön!» Niemand beachtet den Flaneur, der an ihnen ruhig vorbeigeht zur Mauer, die den Platz zum Rhein abgrenzt. Dort geniesst er den wunderbaren Blick über den Rhein, die Fähre, die gemächlich zum Kleinbasler Ufer wechselt. Ein schwerbeladenes Frachtschiff unterquert die Mittlere Brücke und kämpft gegen die Strömung. Die Bugwelle spritzt hoch. Darüber thront majestätisch das Münster.

Die Gruppe diskutiert unverdrossen heftig weiter, sieht nicht den Reiz des eigentlich friedlichen Ortes. «Gäbe es doch nur die Buvette, dann könnten sie ein kühlendes Bierchen trinken, anstossen und spüren, wie schön das Leben hier ist.» Nur, der Disput geht weiter. Die Argumente wogen hin und her. Der Flaneur blickt zum Platz vor dem Goldenen Sternen. «Komisch, da sitzen doch auch Leute im Freien und konsumieren. Das scheint da niemanden zu stören…» Also nichts wie weg dorthin, schliesslich knurrt der Magen und auch der Durst hat sich gemeldet. Wie schön es doch ist, unter den Platanen zu verweilen, ein Häppchen essen, ein kühles Glas Weisswein zu trinken, zuerst aber den Durst mit perlendem Wasser zu löschen.

Wasserspritzer und Touristen

Auch wenn es hier zauberhaft ist, abgesehen von den parkierten und vorbeifahrenden Autos oder zwischendurch nervösen Velofahrern, bleibt ein echter Flaneur nicht stundenlang sitzen, sondern zieht gemächlich weiter. Stadtwärts, zur St. Alban Vorstadt, führt sein Weg den Mühlenberg hoch. Schon von weitem hört er helles Kinderlachen und spritzendes Wasser. Der Platz um den Schöneck trieft vor Nässe. Gerade wieder segeln Wasserspritzer durch die Luft und platschen kurz vor einer Gruppe Touristen auf den Boden. Sie hüpfen ausweichend zurück, kichern, zücken wieder ihre Handys und Kameras. Klick! Klick! Auch dieses Sommervergnügen haben sie festgehalten.

Jetzt drehen sie sich, den Rücken zum Brunnen. Eine Frau hat ihr Handy auf eine Selfie-Stange montiert und jongliert das Gebilde konzentriert über ihren Köpfen, dass ja die ganze Gruppe, die plantschenden Kinder und die Häuser auf dem Bild sind. «Cheeese» und nochmals, dann heiteres Gekicher und angeregteste Unterhaltung. «Das wäre spannend, wenn ich ihre Sprache sprechen würde», denkt sich der Flaneur, «dann wüsste ich, wie sie die Szene sehen, die Häuserzeilen…» Doch schon sind sie weiter. Nachdenklich geht der Flaneur weiter, durch die Malzgasse, bis er unverhofft durch Strassenlärm und Trämligeklingel wachgerüttelt wird.

Nein, hier auf diesem hektischsten „Unplatz“ der Stadt, wo Fussgänger, Autos, Velofahrer, Lastwagen und Trams sich nebeneinanderher her quälen, und das bei der unsäglichen Hitze, hält ihn nichts. Im gleissenden Sonnenlicht erkennt er einen 14er, der Stadtauswärts fährt. Nichts wie hinein und weg. Nach kurzer Fahrt steigt er bei der Sevogelstrasse wieder aus, um ein Stück weit die Hardstrasse stadtauswärts zu gehen. Auch hier herrscht rege Betriebsamkeit auf und neben der Strasse, aber es fehlt zum Glück die übermässige Hektik des Aeschenplatzes. Die Hitze drückt unsäglich.

Schattensuchend unterwegs

Schattensuchend geht er weiter, vorbei an Häusern und Läden. «Stillvoll, ach nein, jetzt hat mir die Hitze einen Streich gespielt, Stilvoll natürlich.» Der Laden gefällt dem Flaneur, dann schaut er seinen vorkragenden Bauch an. «Bevor ich da hineingehen kann sollte ich einige Lektionen bei Swiss Bodychange an der Zürcherstrasse buchen, dann wäre mein ‹Stil› auch nicht mehr so voll», denkt er sich. Nicht ganz geglückt scheint ihm die Wortspielerei. Zeit, um in ein schattigeres Seitenquartier auszuweichen. «Meiner Partnerin würde der Laden gefallen.»
Zischendes Wasser, eine Fontäne steigt hoch über den verwachsenen Staketenzaun. Kindergelächter, dann eine verärgerte Männerstimme. «Chani nit emool in Rueh Zytig läse. Göhnd neume anders aane.» Der verärgerte Kommentar beeindruckt die Kinder keineswegs. «Papi, Zytig chasch z Oobe no lang läse. Chumm, mach mit, s isch cool, s Wasser. Hesch nit au heiss!» Da hätte der Flaneur gerne ein Weilchen mitgemacht. Trotz den schattenspendenden Bäumen, die das brennende Sonnenlicht vom Trottoir fernhalten, ist es heiss. Sehr heiss. Etwas gemächlicher geht er weiter und blickt in einen grossen, parkähnlichen Garten.

Erholsames Nickerchen

Eine ältere Frau sitzt unter einer mächtigen Weide, ein Buch auf dem Schoss, den Kopf geneigt, als lese sie. Eine junge Frau beobachtet sie, geht zu ihr hin. «Mamme?» Keine Reaktion. «Mamme!», ruft sie etwas kräftiger. Keine Reaktion. Die junge Frau erschrickt. Hoffentlich ist nichts passiert. Doch dann sieht sie, wie ihre Mutter regelmässig atmet, begleitet von kräftigen Atemgeräuschen. «Ich lasse sie“, denkt sie, „wenn sie jetzt hier schlafen kann. In der Nacht sei es zu stickig und heiss gewesen. Sie habe kaum geschlafen. Ich lasse sie jetzt, das tut ihr gut.»
Jetzt machen sich beim Flaneur die schweren Beine bemerkbar, aber klein beigeben, nein, jetzt noch nicht. Bald ist die Brücke beim Bethesdaspital erreicht, die über die Autobahn und Eisenbahn führt. Ein Getöse dringt aus der Tiefe, tiefes Brummen von Lastwagen, dann das Knattern eines getunten Fahrzeuges, hochdrehende Motoren. Ein Zug rollt vorbei. Es rumpelt. Schnell weiter zur Birs. Ein kurzer Blick in den Schwarzpark, bei dem wenige Sonnenhungrige sich im Sonnenlicht bräunen, viele aber geniessen den Schatten der mächtigen Parkbäume.

Riviera pur in der Lehenmatt

Wie sieht es wohl bei der Birs aus? Die Ufer sind beidseits von Erholungssuchenden belegt. Nicht wenige sind im Wasser. Manche kämpfen gegen die Strömung Birsaufwärts, um sich dann fallen und vom Wasser treiben zu lassen. «Jetzt hani Durst!», klagt einer der Badenden resolut. «Sag, wo isch dä schönschti ‹Spar› vo dr Schwyz?» Der Kollege zeigt ihm den Weg mit ausgestrecktem Arm. «Viellecht het er jo au dy Lieblingsbier», giftelt er hinterher. Viele geniessen das Ausspannen an der Basler Birs-Riviera, manche spielen Fussball, Kinder sind auf Entdeckungstour und die ersten Erholungssuchenden packen ihren kleinen Grill aus, um sich für den Abendschmaus einzurichten.

Reizvolles Rhybadhysli

Der Flaneur zieht weiter, überquert die lärmige Kreuzung bei der Schwarzwaldbrücke. Eigentlich wollte er noch zum Birschöpfli, aber er ist zu müde, hat Hunger und Durst. Wohin also? Zielstrebig geht er zum Rhein und dem Rhybadhysli, wo noch viele Badegäste den kühlen Rhein geniessen oder sich auf den Holzplanken liegend, vom Stress und der Hitze des Tages erholen. Für den Flaneur ist das kein Thema, dafür das gepflegte Restaurant. Er wählt einen ruhigen Platz mit Blick auf den Rhein und das Münster, geniesst einen spritzigen Wein und das Essen. Bleibt sitzen, beobachtet, wie die Sonne verschwindet, die Farben im Himmel und auf dem Rhein wechseln, bis die Nacht hereingebrochen ist. Ein kühlender Wind kommt auf. Wie angenehm. «Da bleibe ich noch eine Weile», denkt er sich.

Infobox

Rücksicht nehmen und geniessen

Sommer im Quartier bedeutet für mich in erster Linie Freude. So denke ich an entspannte Zeiten am Rheinbord, draussen sitzen und ein Glacé essen, gemeinsam grillieren und Spass haben mit Freunden. Gerade als Polizistin kommen mir aber auch negative Begleiterscheinungen des Sommers im Quartier in den Sinn, wie z.B. Littering und Nachtruhestörung. Mit gegenseitigem Respekt und Verständnis ist es jedoch möglich, den «eigenen Sommer» so zu verbringen, dass auch meine Nachbarn nicht beeinträchtigt werden und wir alle gemeinsam den Sommer geniessen können».

Shirin Scheidegger
Jugend- und Präventionspolizei

 

Auf die Nachtruhe achten

Es ist bekanntlich die wärmste Zeit im Jahr und sie bietet im Allgemeinen wie auch aus meiner polizeilicher Sicht «Chancen» aber auch «Risiken». Auf meine Arbeit als Polizist bezogen, heisst das erst einmal konkret: Schwitzen unter der Schutzweste! Die Chancen finden sich gerade im Sommer, wenn sich die Bewohner/innen im Quartier wieder vermehrt draussen aufhalten. Wenn die allseits beliebten gut organisierten Quartiersfestivitäten oder Nachbarschaftsanlässe stattfinden.

Die Tage, aber besonders auch die Abende sind noch warm, so dass man draussen feiern und auch grillieren kann. Die junge Garde bevorzugt da eher spontane Gelegenheiten zu gemeinschaftlichen Festivitäten. Alle haben aber etwas Gemeinsames. Es ziehen teilweise herrliche Fleisch-, Käse- und Gemüsedüfte durch die Quartiere. Es entsteht dadurch auch teilweise viel «Rauch» und «Lärm». Damit verbunden möchte ich nun die Risiken ansprechen. Die Polizeiarbeit ist vor allem zu dieser Jahreszeit mitunter durch Nachbarschaftskonflikte, Streitereien und Lärm geprägt. Auch die allseits bekannten «chilligen» Örtlichkeiten im öffentlichen Raum bieten nicht immer Gewähr für ein einvernehmliches Verhalten.

Toleranz und Rücksichtnahme

Diese Örtlichkeiten werden vorzugsweise an den Wochenenden aufgesucht und durch die Polizei auch sporadisch kontrolliert. Aufeinander Rücksicht nehmen ist aber die beste Basis für eine gute Nachbarschaft – so sieht es auch der Gesetzgeber. Auch wenn es nicht immer einfach ist, sich in Toleranz zu üben, so möchte ich doch abschliessend alle Quartierbewohner, mit Ausblick auf die kommende Saison, dazu auffordern, im Sinne der gegenseitigen Toleranz und Rücksicht, auf die wichtige und notwendige Nachtruhe zu achten und sie einzuhalten. Wünsche allen an dieser Stelle eine wunderbare Sommerzeit.

Ihr Quartierspolizist
David Schmid

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